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Aktuelles / Presse

14.05.2013

Gemeinsame Erklärung von Abgeordneten aller Fraktionen des Bayerischen Landtags

Für volle Transparenz im Rahmen des freien Mandats, gegen öffentliche Parlamentarismusschelte

Wir haben uns zu dieser gemeinsamen Erklärung entschlossen, um bei aller Turbulenz der vergangenen Ereignisse und Schärfe der öffentlichen Auseinandersetzung auch daran zu erinnern, die richtigen Maßstäbe anzulegen. Die Kritik am Fehlverhalten Einzelner wurde mittlerweile pauschal und ungerechtfertigt auf die Arbeit des gesamten Parlaments ausgedehnt. Unabhängig von der individuellen Betroffenheit stellen wir uns als Abgeordnete dennoch dieser Kritik, wollen verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und werden deshalb kommende Woche eine tragfähige Regelung für die Zukunft treffen. Unser Ziel ist dabei eine Lösung, die die parlamentarische Demokratie für die Zukunft stärkt, das freie Mandat sichert und das Ansehen des Parlaments wiederherstellt.

1. Wir wehren uns in aller Schärfe gegen eine pauschale und durch nichts begründete Verunglimpfung des Bayerischen Landtags als „Freibier-Parlament“, „Abzocker-Bude“ und „Selbstbediener-Laden“. Bayerns demokratische Geschichte seit 1946 hängt ganz maßgeblich an der Arbeit unzähliger Parlamentarier aller demokratischen Fraktionen in ihren Regierungs- wie Oppositionszeiten. Wie unseren Vorgängern ist auch uns heute der tägliche Einsatz für das Gemeinwesen, die politische Sache, die Anliegen der Menschen vor Ort das alles Entscheidende an unserer Arbeit. Wir gehen jeden Tag nach bestem Wissen und Gewissen unseren Aufgaben im Parlament und im jeweiligen Stimmkreis nach – und sehen uns bei aller tagespolitischen Hektik und parteipolitischen Differenzen alleine der guten Vertretung des Volkes verpflichtet. Selbstverständlich muss diese Arbeit kritisch überwacht und auch hinterfragt werden. Sie darf aber nicht undifferenziert verdammt oder sogar unmöglich gemacht werden.
 
2. Wir warnen davor, im Zuge der aktuellen Debatte die Stellung des Parlaments und das freie Mandat in einer Weise auszuhöhlen, dass nicht nur die Attraktivität des Berufs „Volksvertretung“ weiter leidet, sondern geradezu die Axt an unsere Verfassungswurzeln gelegt würde. Eine starke Exekutive braucht eine starke Legislative, ein selbstbewusstes Deutschland und ein selbstbewusstes Europa brauchen ein selbstbewusstes Bayern. „Die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes, nicht nur einer Partei. Sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden.“ – Dieser Grundsatz der Bayerischen Verfassung muss als konstituierendes Element der repräsentativen Demokratie auch in Zukunft gelten. Rechenschaft haben die Abgeordneten vor dem Volk abzulegen, zum Wahltag wird darüber entschieden. Selbstverständlich gelten unabhängig davon Recht und Gesetz gleichermaßen für alle Abgeordneten.
 
3. Wir sind uns bewusst, dass der Verdacht möglicherweise illegaler Beschäftigungsverhältnisse in einzelnen Fällen dazu geführt hat, die Integrität der Abgeordneten und des Bayerischen Landtags insgesamt zu hinterfragen. Kein Mitglied des Bayerischen Landtags kann sich der sogenannten „Beschäftigungsaffäre“ und der damit verbundenen öffentlichen Auseinandersetzung entziehen. Die Mehrzahl der bekanntgemachten Arbeitsverhältnisse basiert auf einer gesetzlichen Regelung, für deren Fortführung auch in dieser Legislaturperiode alle im Landtag vertretenen Fraktionen ihre Zustimmung gegeben haben. Wir sehen dennoch die dringende Notwendigkeit, klare, zeitgemäße Regeln im Abgeordnetengesetz als Konsequenz aus den Diskussionen der letzten Zeit umzusetzen, sowohl was die Frage zulässiger Beschäftigungsverhältnisse als auch die Offenlegung von Nebentätigkeiten angeht. Jedoch muss auch eine Neuregelung Daten Dritter schützen, das freie Mandat des Abgeordneten achten und dabei natürlich gewährleisten, dass transparent und maßvoll mit den öffentlichen Geldern umgegangen wird.
 
4. Wir möchten bei aller berechtigten öffentlichen Kritik darauf hinweisen, dass die Suche nach Sündenböcken und einfachen Antworten in die Irre führt. Weder der Fingerzeig auf die Abgeordneten, die die gemeinsam getroffene Regelung genutzt haben, noch der Fingerzeig auf diejenigen, die Verwandte höheren Grades beschäftigt haben (die laut der bislang getroffenen Regel ohne Zweifel beschäftigt werden durften), werden der Thematik insgesamt gerecht. Davon abgesehen hat sicherlich die überwiegende Mehrzahl der Familienbeschäftigten mit großem Engagement und Gewissenhaftigkeit ihre Tätigkeit ausgeübt.
 
5. Wir verwahren uns dagegen, einzelne Gremien des Bayerischen Landtags und insbesondere die Präsidentin, Barbara Stamm, für uns alle haftbar zu machen: Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Altfallregelung nicht während ihrer Amtszeit als Präsidentin beschlossen wurde, sondern bereits zwei Legislaturperioden vorher. Verlängert wurde die Regelung nach intensiven interfraktionellen Diskussionen; zuletzt wurde sie 2009 erneut in den zuständigen Gremien einstimmig bestätigt. Zudem wurde keine Entscheidung von ihr als Präsidentin alleine getroffen, sondern stets im demokratischen Konsens. Die Präsidentin hat sich, wie die weit überwiegende Zahl der Abgeordneten, an die bestehenden Regeln gehalten. Die Integrität ihrer Amtsführung und ihr ehrliches Bemühen um angemessene Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten verdienen nach unserer Ansicht Respekt über die Grenzen der Fraktionen und des Parlaments insgesamt hinaus.
 
6. Abschließend bitten wir alle, sich auch kritisch der eigenen Rolle im Gemeinwesen zu stellen und weiter gemeinsam die demokratische Kultur im Land zu pflegen. Als demokratisch gewählte Volksvertreterinnen und -vertreter sind wir in allererster Linie den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Wir erheben uns moralisch nicht gegenüber anderen, fordern aber auch Achtung vor dem Parlament und den für eine parlamentarische Demokratie essentiellen Kompetenzen ein. Politik, Behörden, Justiz und Medien stehen gemeinsam, jeder in eigener Funktion und gegebener Legitimation, in der Pflicht, das demokratische Gemeinwesen zu erhalten. Das wird langfristig nur gelingen, wenn sich Einzelne gegenüber anderen moralisch nicht überhöhen. Eine demokratische Kultur lebt vom Engagement jedes Einzelnen und dem gegenseitigen Respekt.

 

Unterzeichnet haben die Erklärung folgende Damen und Herren Abgeordnete (Stand: 13. Mai, 12 Uhr):

Renate Ackermann (Bündnis 90/Die Grünen), Martin Bachhuber (CSU), Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP), Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU), Dr. Thomas Beyer (SPD), Annemarie Biechl (CSU), Markus Blume (CSU), Reinhold Bocklet (CSU), Gudrun Brendel-Fischer (CSU), Petra Dettenhöfer (CSU), Renate Dodell (CSU), Heinz Donhauser (CSU), Günther Felbinger (FREIE WÄHLER), Karl Freller (CSU), Albert Füracker (CSU), Dr. Thomas Goppel (CSU), Eva Gott-stein (FREIE WÄHLER), Joachim Hanisch (FREIE WÄHLER), Ingrid Heckner (CSU), Jürgen W. Heike (CSU), Dr. Florian Herrmann (CSU), Johannes Hintersberger (CSU), Dr. Otto Hünnerkopf (CSU), Hermann Imhof (CSU), Oliver Jörg (CSU), Claudia Jung (FREIE WÄHLER), Christine Kamm (Bündnis 90/Die Grünen), Konrad Kobler (CSU), Manfred Ländner (CSU), Philipp Graf Lerchenfeld (CSU), Prof. Ursula Männle (CSU), Brigitte Meyer (FDP), Ulrike Müller (FREIE WÄHLER), Martin Neumeyer (CSU), Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER), Alexander Radwan (CSU), Markus Reichhart (FREIE WÄHLER), Tobias Reiß (CSU), Dr. Franz Rieger (CSU), Jörg Rohde (FDP), Adelheid Rupp (SPD), Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU), Reserl Sem (CSU), Eberhard Sinner (CSU), Claudia Stamm (Bündnis 90/Die Grünen), Klaus Steiner (CSU), Christa Stewens (CSU), Dr. Simone Strohmayr (SPD), Karl Vetter (FREIE WÄHLER), Ludwig Wörner (SPD), Isabell Zacharias (SPD) und Josef Zellmeier (CSU).